Aufbruch in die Moderne
Der wirtschaftliche Erfolg Österreichs zwischen 1950 und 1970 bedeutete: Viele Menschen zogen vom Land in die Städte. Und viele Arbeitskräfte kamen aus dem Ausland nach Österreich. Moderne Industrie- und Dienstleistungsbetriebe entstanden. Dies veränderte auch die Gesellschaft. Österreich wurde zu einem Einwanderungsland. Wirtschaftlicher Erfolg ermöglichte vielen Menschen den sozialen Aufstieg. Die Zahl der Angestellten, aber auch der Beamten wurde größer. Und damit wuchs bei vielen Menschen auch das Interesse an einem modernen und liberalen Österreich. So kam es ab den 1970er Jahren zu etlichen Reformen, die bis heute von Bedeutung sind. Viele dieser Reformen wurden in der Regierungszeit des Bundeskanzlers Bruno Kreisky (1970–1983) beschlossen. In den 1970er Jahren endete allerdings auch die Zeit des hohen Wirtschaftswachstums („Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit). Die Eisenund Stahlindustrie geriet in eine Krise. Die Arbeitslosigkeit stieg deutlich an. Ausländische Arbeitskräfte („Gastarbeiter“) wurden wieder in ihre Heimat zurückgeschickt. Damals begannen auch die Staatsschulden deutlich zu wachsen.
Welche Reformen veränderten Österreich?
In den 1970er und den 1980er Jahren wurden die Schulen und Universitäten ausgebaut. Mehr Jugendliche und junge Erwachsene als zuvor konnten länger zur Schule gehen und studieren. Das wurde für mehr junge Menschen möglich, weil finanzielle Erleichterungen eingeführt wurden: Seit den 1970er Jahren können Kinder und Jugendliche kostenlos in die Schule fahren („Schülerfreifahrt“) und müssen auch für Schulbücher nichts mehr bezahlen. Der Schulbesuch ist gratis. Die Bildungsexpansion machte höhere Bildungsabschlüsse auch für jene Kinder möglich, deren Eltern selber keine höhere Bildung besaßen. Diese Kinder bekamen damit auch die Chance auf eine besser bezahlte Arbeit. Das Familienrecht wurde reformiert. Frauen und Männer haben seither gleiche Rechte und Pflichten. Und verheiratete Männer sind nicht mehr das „Familienoberhaupt“. Vereinfacht wurde auch die Ehescheidung. Außerdem wurde in den 1970er Jahren auch die Homosexualität legalisiert und bei Erwachsenen nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Seit 2010 haben homosexuelle Paare das Recht, ihre Partnerschaft einzutragen. Durch die eingetragene Partnerschaft haben auch homosexuelle Paare ähnliche Rechte und Pflichten wie Ehepaare. Erst in den 1980er Jahren hat Österreich begonnen, darüber zu sprechen, dass manche Bürger/innen sowie manche Firmen, Vereine und manche Einrichtungen des Staates in der Zeit des Nationalsozialismus (1938–1945) Täter/innen waren. Die Anerkennung dieser Schuld hatte nach dem Jahr 2000 konkrete Folgen:
>> Kunstwerke, die zur Zeit des Nationalsozialismus geraubt wurden, werden an ihre Besitzer/innen (oder deren Erben) zurückgegeben oder sie werden entschädigt, sofern dies nicht schon nach 1945 geschehen ist.
>> Für Familien, denen damals ihre Häuser und Wohnungen geraubt wurden und denen diese nicht bereits nach 1945 zurückgegeben wurden oder entschädigt wurden, gab es Geld als Entschädigung.
>> Geld bekamen auch ehemalige Zwangsarbeiter/innen, die zur Zeit des Nationalsozialismus auf dem Gebiet des heutigen Österreich ausgebeutet wurden. Nach dem Jahr 2000 gab es in Österreich auch Reformen in anderen Bereichen. Eine wichtige Reform betraf das Pensionssystem. Ziel war und ist es, die staatlichen Pensionen auch in Zukunft bezahlen zu können. Dazu ist es notwendig, dass Männer und Frauen länger in ihrem Beruf bleiben und später in Pension gehen.