Die Nachkriegszeit
Die Sieger des Zweiten Weltkrieges waren die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion. Diese Sieger hatten schon während des Krieges beschlossen, dass Österreich wieder ein selbstständiger Staat werden sollte. Noch in den letzten Kriegstagen wurde im April 1945 die Republik Österreich erneut ausgerufen. Karl Renner wurde Kanzler einer provisorischen Regierung. Im November 1945 fanden die ersten demokratischen Parlamentswahlen in der „Zweiten Republik“ statt. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die Sozialistische Partei Österreichs (heute: Sozialdemokratische Partei Österreichs das heißt SPÖ) und die kleine Kommunistische Partei (KPÖ) bildeten lange Zeit eine gemeinsame Regierung. Parlament und Regierung konnten allerdings nicht frei entscheiden. Die Sieger des Zweiten Weltkrieges behielten bis 1955 die letzte Entscheidungsgewalt. Österreich war zwischen 1945 und 1955 von den Siegern in vier besetzte Zonen geteilt. Auch die Bundeshauptstadt Wien war in vier Zonen geteilt. Jeder Sieger verwaltete eine dieser Zonen. Vor allem die USA leisteten einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes. Als Hilfe stellten die USA den Ländern Europas im „Europäischen Wiederaufbau-Programm“ viele Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Diese Hilfe wurde „Marshall-Plan“ genannt. Auch Österreich erhielt für den Wiederaufbau des Landes Geld aus dem Marshall-Plan. Die Mittel des Marshall-Plans waren ein Geschenk. Österreich musste diese Mittel nicht zurückzahlen. Die Besatzungszeit dauerte bis 1955. Erst nach 10-jährigen Verhandlungen gelang es, mit den Siegern des Zweiten Weltkrieges einen Friedensvertrag zu schließen. Dieser Friedensvertrag heißt „Staatsvertrag“. Er gab Österreich wieder die volle Unabhängigkeit. Bei den Verhandlungen mit den Siegern spielten der damalige österreichische Bundeskanzler Julius Raab und sein Außenminister Leopold Figl eine wichtige Rolle.
Die Folgen des Staatsvertrages von 1955 waren mehrere Verpflichtungen für Österreich. Die wichtigsten sind:
>> kein „Anschluss“ an Deutschland,
>> kein Beitritt zu einem Militärbündnis (das heißt immerwährende Neutralität),
>> Verteidigung der Neutralität (das heißt eigene Armee/Bundesheer),
>> Schutz der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Österreich.
Was unterscheidet die Zweite Republik von der Ersten Republik?
Aus dem Scheitern der „Ersten Republik“ haben die Politiker jener Zeit etwas gelernt. Die „Zweite Republik“ wurde nach 1945 besser aufgebaut als die „Erste Republik“. An die Stelle des politischen Konflikts trat mehr Zusammenarbeit. Die politischen Parteien sahen sich nicht mehr als Feinde. Stattdessen regierten die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Sozialistische/Sozialdemokratische Partei (SPÖ) gemeinsam in einer großen Koalition. Die Wirtschaft wuchs, und die Währung blieb stabil. Die Sieger des Zweiten Weltkrieges – insbesondere die USA – halfen beim Wiederaufbau des Landes. Immer mehr Menschen waren nun stolz darauf, Österreicher zu sein. Eine wichtige Form der Zusammenarbeit von Arbeitgebervertretern, Arbeitnehmervertretern und Bauernvertretern ist die Sozialpartnerschaft. Sie entstand in den späten 1940er Jahren. An dieser dauernden Zusammenarbeit beteiligen sich folgende berufliche Interessenvertretungen:
>> die Bundesarbeitskammer (AK)
>> die Landwirtschaftskammer Österreich (LK)
>> der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), und
>> die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Dabei geht es um die Festsetzung von Löhnen (Lohnverhandlungen). In der Nachkriegszeit ging es auch um die Festsetzung von Höchstpreisen. Bis heute werden die Sozialpartner bei wirtschaftlich oder sozial bedeutsamen Vorhaben gefragt. Insbesondere bei Gesetzesvorschlägen haben ihre Stellungnahmen große Bedeutung. Wirtschaftlich war Österreich in der „Zweiten Republik“ viel erfolgreicher als in der „Ersten Republik“. Nach dem Wiederaufbau des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg gab es 20 Jahre mit hohem Wirtschaftswachstum. Wichtig dafür waren die Großindustrie, die in den 1940er und 1950er Jahren entstand. Aber auch viele Klein- und Mittelbetriebe trugen zum Wirtschaftswachstum bei. Weil es den Menschen wirtschaftlich immer besser ging, glaubten nun auch viele an die Zukunft Österreichs. Das trug dazu bei, dass eine österreichische Identität entstand, die heute selbstverständlich ist.